Der Landesjugendrat, die Demokratie und die neuen Zeiten

Österreich hat gewählt. Die Pfadfinder und Pfadfinderinnen Oberösterreich auch. Was man vom Ergebnis der diesjährigen Nationalratswahl halten soll, ist … naja,  Geschmackssache. Freuen kann man sich jedenfalls über die neue Landesleitung: Betty Jaksch und Michael Etlinger haben sich viel vorgenommen. Zum Beispiel eine starke Mitbestimmung Jugendlicher. Das ist ganz nach dem Geschmack von Magdalena Hageneder und Paul Buchegger, die sich im Landesjugendrat engagieren.


„Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein
Ich möcht mich auf euch verlassen können
Und jede unserer Handbewegungen
hat einen besonderen Sinn
weil wir eine Bewegung sind
Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein“
(Tocotronic – Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein (Live)



Eigentlich würde sich der Tocotronic-Gassenhauer „Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein“ als heimliche Hymne der Pfadfinder und Pfadfinderinnen ganz gut eignen. Jedenfalls in Oberösterreich, wo die Pädagogin Betty Jaksch aus Linz und der Marketingspezialist Michael Etlinger aus Vorchdorf im Landesleitungsteam für neuen Schwung sorgen.

Neuer Schwung soll auch in der Mitbestimmung und Mitgestaltung junger Pfadfinder und Pfadfinderinnen

einkehren. „Wir sind schließlich eine Jugendbewegung“, sagt Michael, „und da finde ich es befremdlich, wenn Entscheidungen nur von Erwachsenen getroffen werden.“

Im Bund klappt‘s bereits
Auf Bundesebene funktioniert das schon ganz gut. Seit sich junge Scouts 2002 auf die Beine gestellt haben, gibt es den Bundesjugendrat. Der hat bei der Bundestagung einen Stimmanteil von 33%. Die anderen Stimmen verteilen sich ebenfalls zu je 33% auf die Präsidien und die Landesleitungen.

In diesem Bundesjugendrat ist jedes Bundesland mit zwei Köpfen – wie bei den Pfadfindern üblich mit einer jungen Frau und einem jungen Mann – vertreten. Die zwei Oberösterreicher im aktuellen Bundesjugendrat sind Magdalena Hageneder (18) von der Gruppe Steyrtal und Paul Buchegger (18) von der Gruppe Linz 6.

Erwachsen gedacht
Um diese Vertretungen zu nominieren, haben die Landesorganisationen allesamt einen Landesjugendrat eingerichtet. Mit wenigen Ausnahmen (wie in Vorarlberg) hängen diese Gremien aber zumeist organisatorisch in der Luft. Dahinter steckt ein kleines Demokratiedefizit, wie Fachleute wohl sagen würden: „Der Landesjugendrat hat bis jetzt nur eine symbolische Funktion ohne Sitz und Stimme“, erklärt Betty. Michael verweist darauf, dass außer den beiden Landesleitern – noch – niemand demokratisch gewählt wird. Zur gegenwärtigen Form der Jugendbeteiligung sagt er: „Man merkt an all diesen Strukturen, dass sich das Erwachsene ausgedacht haben.“ Es braucht eine auch organisatorisch ganz neue Form der Mitwirkung junger Pfadfinderinnen und Pfadfinder, sind sich Betty und Michael einig.

Der LJR, das unbekannte Wesen
Magdalena und Paul im Landesjugendrat kann das nur recht sein. „Ich bin seit zwei Jahren im LJR, seit ich mit 16 durch einen Hinweis meines Leiters darauf gestoßen bin“, erzählt Magdalena. „Ich war sehr angetan von der Tatsache, dass man als Jugendlicher auch ‚mitmachen‘ kann. Es liegt mir am Herzen Jugendlichen bewusst zu machen, dass sie die eigentliche treibende Kraft bei den PfadfinderInnen sind und darum auch ein Mitspracherecht haben. Dieses Mitspracherecht wollte ich nicht ungenutzt lassen!“
Auf die Frage, warum er sich auf das zeitintensive Engagement überhaupt einlässt, antwortet Paul: „Weil mir bisher zu wenig passiert ist. Außerdem find ich es enorm wichtig, dass Jugendliche einfach auch eine Stimme innerhalb der PfadfinderInnen haben. Sonst entscheiden alles die LeiterInnen, und die handeln aus einer völlig anderen Perspektive heraus, da geht’s um völlig andere Interessen.“

Ehrgeizige Ziele
Paul, im Zivilberuf Schüler einer Maschinenbau-HTL und begeisterter Motorradfahrer, hat sich für seine drei Jahre im LJR ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Wenn er sich von dort verabschiedet, sollen alle Gruppen Bescheid über den LJR wissen. „Leider gibt es viele Gruppen, die keine Ahnung haben, was der Landesjugendrat macht.“

Magdalena sieht das ähnlich. Aus ihrer Sicht krankt es auch daran, „dass wir viel zu wenige und vor allem bei ehemaligen Mitgliedern ein bisserl verschrien sind. A la ‚da geht‘s eh um nix, die chillen nur‘. Das wollen wir ändern! Als erstes werden wir unsere angelaufene Mobilisierungsaktion zu Ende bringen und dann sehr wohl etwas auf die Reihe bringen.“

Neustart alle 3 Jahre
Das hat auch damit zu tun, dass es bisher keine geordnete Übergabe von einer Landesjugendvertretung an die nächste gegeben hat. „Die Teams wechseln alle drei Jahre“, beschreibt Betty das Problem. „Die scheidenden Vertreter nehmen ihre Erfahrungen und ihr Wissen mit, und die Neuen fangen wieder bei null an.“ Das soll anders werden. Mit Sabine Binder gibt es seit Frühling dieses Jahres eine LJR-Beauftragte. Ihr Job ist es, den Landesjugendrat zu begleiten und für Kontinuität zu sorgen. Also dafür, dass gute Entwicklungen nicht immer wieder unterbrochen werden, sondern weiterlaufen können.

Am 3. November geht‘s los!
Ein erstes Forum für die Interessen junger Scouts gibt es am Sonntag, dem 3. November ab 13.00 Uhr in den Räumlichkeiten des Landesverbandes in der Brucknerstraße 20 in Linz. „Da können und sollen alle kommen, die sich den Landesjugendrat einfach einmal aus der Nähe ansehen möchten – auch gern mehrere Leute aus einer Gruppe“, lädt Magdalena ein. Sie und Paul haben bereits angedacht, sich mit anderen Jugendorganisationen auszutauschen, um voneinander zu lernen. In erster Linie geht es aber darum, junge Anliegen zu sammeln und auf den Punkt zu bringen. Unerlässlich ist dafür die gerade in Vorbereitung befindliche Facebook-Seite des LJR, die zum 3. November online geht.


Kein Ende in der Schublade
In der Landesleitung sehen Betty und Michael den Ergebnissen schon gespannt entgegen. „Wir erwarten uns davon, auf Themen gestoßen zu werden, die bisher vernachlässigt worden sind. Unser Auftrag ist es, den Impulsen aus dem Landesjugendrat ernsthaft nachzugehen“, sagen sie. „Denn es darf nicht sein wie in der Politik, wo Volksbegehren einfach in der Schublade enden.“